Jedes Jahr werden in Wien Hunderte Baumriesen gefällt. Die Ursachen für den Verlust dieser unersetzbaren Klimaschützer sind vielfältig: Überalterung, Sturmschäden, Schädlingsbefall und zahlreiche Bauvorhaben. Zudem grassiert die lukrative Unsitte, große Bäume jedes Jahr ein bisschen mehr zu stutzen – bis nur noch Stümpfe übrigbleiben. Diese Rodung auf Raten führt fast immer zum (erwünschten?) Tod des Baumes. Praktischer Nebeneffekt: Solange dieses Stümpfe (,Spechtbäume‘ ohne Spechte…) stehen, muss nicht nachgepflanzt werden. Ein Schelm, der Böses denkt …





Mit ein Grund für das rigorose Stutzen und Abholzen war die Rechstunsicherheit bei umstürzenden Bäumen und herabfallenden Ästen. Da die Haftung nicht einheitlich geregelt, die Verantwortung aber groß war, wurden (und werden leider nach wie vor) aus Angst auch kerngesunde Bäume gekappt und gefällt. Massive Sicherheitsschnitte und Rodungen etwa entlang der öffentlichen Wiener Wald-Wanderwege sind allgegenwärtig. Aus schmalen Pfaden wurden breite Schneisen. Der Erhalt von gesunden, älteren Bäumen ist aber besonders wichtig. Sie binden mehr CO2, spenden reichlich Schatten, filtern und kühlen die Luft und fördern die Naturverjüngung.
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes ist rund ein Viertel der Wienerwaldfläche von sog. ,Angstschnitten‘ bedroht. Hauptursache war die unklare Gesetzeslage für Baum- und Wege-Erhalter. Diese unbefriedigende Situation brachte nach jahrelangen Diskussionen im Jahr 2024 die erhoffte Gesetzesänderung – für mehr Rechtssicherheit, Baum- & Waldschutz.
Seit 01. Mai 2024 gilt das neue Haftungsrechts-Änderungsgesetz!
Mit dem Inkrafttreten des Haftungsrechts-Änderungsgesetzes 2024 am 1. Mai 2024 wurden in Österreich neue Haftungsbestimmungen für Schäden eingeführt, die durch das Umstürzen von Bäumen oder herabfallende Äste verursacht werden. Der neu geschaffene § 1319b des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) regelt diese Haftungsfragen spezifisch für Bäume außerhalb von Wäldern.
Vor dieser Gesetzesänderung wurden Baumbesitzer:innen analog zur Gebäudehaftung behandelt und mussten im Schadensfall nachweisen, dass sie keine Schuld trifft. Die Folge waren oft übertriebene Sicherheitsmaßnahmen (Zurückschneiden oder Fällen von gesunden Bäumen). Mit dieser Neuregelung entfällt diese Beweislastumkehr: Nun obliegt es den Geschädigten, nachzuweisen, dass der Baumbesitzer seine Sorgfaltspflichten verletzt hat!
Diese Änderung zielt darauf ab, die Haftungsängste von Baumbesitzer:innen zu reduzieren und den Erhalt des wertvollen Baumbestands zu fördern. Diese Regelung gilt ausschließlich für Bäume außerhalb von Wäldern. Für Waldbäume bleiben die bestehenden Bestimmungen des Forstgesetzes unverändert.
Nationalrat: Änderungen im ABGB zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen bei Bäumen einstimmig beschlossen (21.03.2024):
Justizausschuss: Neue Haftungsregeln im ABGB sollen unnötiges Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen verhindern (Parlamentskorrespondenz Nr. 241 vom 12.03.2024):
https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2024/pk0241
MEDIENBERICHTE:
Neues Baumschutzgesetz gegen ,Angstschnitte‘ in Kraft (04.05.2024):
https://www.heute.at/s/neues-baumschutzgesetz-gegen-angstschnitte-in-kraft-120034812
Umstürzende Bäume und herabfallende Äste: Haftungsrechte geändert (26.03.2024):
Neue Regeln gegen ,Angstschnitte‘ (22.02.2024):
https://orf.at/stories/3349504
Breite Unterstützung für Österreichische Baumkonvention (09.07.2021):
https://wien.orf.at/stories/3112039/
Neues Haftungsrecht soll Bäume vor Angstschnitten schützen (03.05.2021):
Baumschutz: Wie ein neues Gesetz voreiliges Bäumefällen verhindern soll (27.04.2021):
WEITERE INFOS:
Monumentale Bäume in Wien (wer weiß, wie lange noch …):
https://www.monumentaltrees.com/de/aut/wien/
Mehr Rechtssicherheit für Baum-Verantwortliche:
www.wien.gv.at/umweltschutz/baumhaftung.html
Österreichische Baumkonvention: Bäume mit Zukunft – Zukunft mit Bäumen:
www.baumkonvention.at
Umweltbundesamt: Baumhaftung — Baumsicherung und deren ökologische Wirkungen:
www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0704.pdf