Das Wiener Baumschutzgesetz wurde 1974 erlassen, um die Erhaltung einer gesunden Umwelt für die Wiener Bevölkerung zu gewährleisten. Seither wird „der Baumbestand im Gebiete der Stadt Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er sich auf öffentlichem oder privatem Grund befindet.“

Die vielen Ausnahmen & Tricks

Für jeden gefällten Baum ab einem Umfang von 40 Zentimetern – gemessen in einem Meter Höhe – ist eine Ersatzpflanzung im Verhältnis von zumindest 1:1 vorgeschrieben. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen, die einen Rechtsanspruch auf Nachpflanzung verhindern: Obstbäume sind von der Nachpflanzungs-Pflicht befreit. Gleiches gilt auch für kranke und von Schädlingen befallene (Alt)Bäume. Genau hier orten viele KritikerInnen systematische „Gefälligkeiten“.

Ist auf dem betroffenen Grundstück zu wenig Platz für eine Ersatzpflanzung, kann im Umkreis von maximal 300 Metern auch auf fremdem Grund (mit Einwilligung des Grundbesitzers!) nachgepflanzt werden. In der Praxis geschieht dies immer seltener. Bauwerber können sich der verpflichtenden Nachpflanzung mittels „Ausgleichsabgabe“ sogar entziehen. Der Einheitssatz je Baum beträgt seit Anfang 2024 exakt 5.000 Euro (zuvor fast 40 Jahre unverändert bei 1.090,- €). Sie wird fällig, wenn keine entsprechenden Ersatz- bzw. Umpflanzungen durchgeführt werden können. Wer diese Undurchführbarkeit hinter den Kulissen bestimmt, lassen wir mal entspannt im Raum stehen. An Transparenz fehlt es allemal …

Ein Gutachten des Wiener Stadtrechnungshofs (2018) bestätigt, dass in Sachen Baumschutz dringender Verbesserungsbedarf besteht: https://www.stadtrechnungshof.wien.at/berichte/2018/lang/05-05-StRH-V-14-16.pdf

Die Volksanwaltschaft hat bereits 2012 in einem Bericht an den Wiener Landtag 2012 auf Seite 98 festgestellt, dass die von der MA42 bei Baumfällungen vorgelegten Gutachten nicht schlüssig und unvollständig sind: https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/e3oc1/Wien%20Bericht%202012.pdf

GESAMMELTE KRITIK AM BAUMSCHUTZGESETZ & BAUMKATASTER

  • Von der Vorschreibung einer Ersatzpflanzung wird oftmals „im Interesse der Erhaltung des übrigen wertvolleren Baumbestandes Abstand genommen“.
  • Fehlende Transparenz über den realen Bestand und die jährlichen Gesamtabgänge von (Groß)bäumen, die nirgends aufscheinen (Stichwort Bauprojekte, Rodungen in Bausch & Bogen wegen angeblicher Krankheit, Entfall der Nachpflanzungspflicht durch Abschlagszahlungen etc.)
  • Registrierte Kataster-Bäume (sie haben eine Baumnummer) verschwinden sang- und klanglos ohne Nachpflanzung aus dem Verzeichnis bzw. werden erst Jahre nach Fällung des ursprünglichen Baumes ersetzt.
  • Ein öffentlich einsehbares Verzeichnis der Nachpflanzungen gibt es nicht; das Baumschutzreferat der MA 42 jedes einzelnen Bezirks schreibt die Ersatzpflanzungen vor. Ob erfolgte Ersatzpflanzungen online gestellt werden, entscheidet die Bezirksvorstehung: https://www.wien.gv.at/bezirke/ bzw. die für das Wiener Baumschutzgesetz zuständige Behörde – das Magistratisches Bezirksamt: https://www.wien.gv.at/mba/index.html
  • Ersatzpflanzungen werden oft am anderen Ende der Stadt – wenn überhaupt – durchgeführt. Vorgesehen wären sie in einem Umkreis von höchstens 300 Metern vom Standort des entfernten Baumes. Wenn dies nicht machbar ist, im selben Bezirk – möglichst im verbauten Gebiet. Oder gleich weit weg am Stadtrand – Stichwort Norbert Scheed-Wald („Wald der Wiener“). Also nicht dort, wo die Überhitzung künftig ein Problem wird – in der dicht verbauten Stadt.

LÖSUNGSVORSCHLÄGE FÜR EINEN TRANSPARENTEN BAUMSCHUTZ (=KLIMASCHUTZ)

  • Mehr Transparenz über den realen Bestand und die jährlichen „Gesamtabgänge“
  • Ehrlicher Baumkataster, der auch mit der Realität übereinstimmt“ – dh.: Wienweite Liste – Beispiel Alsergrund: https://www.wien.gv.at/bezirke/alsergrund/umwelt/pflanzungen.html – über Rodungen und Ersatzpflanzungen inkl. Pflanzungsjahr – um zu erkennen, ob ein Baum (erst vor wenigen Monaten/Jahren gepflanzt) in Wirklichkeit zu wenig betreut/gegossen wurde und zweitens, ob bei einem älteren Baum das „Ende der physiologischen Lebensdauer“ wirklich plausibel ist. Diese Klausel bewirkt nämlich, dass auch für einen Baumriesen nur im Verhältnis 1 zu 1 ein kleines Bäumchen nachgepflanzt werden muss – und nicht in Abhängigkeit vom Stammumfang in einem Meter Höhe eine ganze Reihe von Ersatzbäumen.
  • Ampelvorschlag im Baumkataster: Grün nur für realen, grundsätzlich gesunden Bestand – Orange oder Gelb für kranke oder zu fällende Bäume – Rot für fehlende Bäume. Dann kann sich jede/r BürgerIn ein Bild von der unmittelbaren Umgebung machen.
  • Es muss geregelt werden, in welchem Zeitraum und an welchem Ort eine Ersatzpflanzung zu erfolgen hat. Diese Daten müssen veröffentlicht werden (Standortliste)!
  • Die Vorgangsweise bei Rodungen, die der Zustimmung des Magistrats bedürfen, muss nachvollziehbar und transparent sein. Baumfällungsgutachten müssen öffentlich einsehbar sein (KEIN SCHWÄRZEN persönlicher Daten). Keine undurchsichtigen Gutachten, wie z.B. in Hernals.

BAUMKATASTER: SO FINDE ICH MEINE NACHBARBÄUME!

Rund 200.000 Bäume sind im Wiener Baumkataster online abrufbar. Neben Alleen in Straßenzügen sind auch Bäume in Parks und waldähnlichen Flächen registriert. Neben Infos zu Standort und Baumart finden sich Angaben zu Stammumfang, Pflanzjahr (leider unvollständig!), Höhe und Krone. Bäume mit einem Kronendurchmesser von mehr als 15 Metern sind am Plandokument dunkelgrün dargestellt. Die Bäume in Wiens Straßenzügen sind laut Gemeinde Wien zur Gänze erfasst, was viele kritische BeobachterInnen vehement in Abrede stellen. Bäume in Parks und waldähnlichen Flächen sind auch offiziell nur teilweise erfasst.

Wer sich durchs Wohngrätzel klickt, bekommt einen guten Überblick, wie es um den Baumbestand tatsächlich bestellt ist und ob die Angaben im Kataster der Realität vor der eigenen Haustüre entsprechen…

Website Wiener Baumkataster

WEITERE INFOS:

Wiener Baumschutzgesetz:

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000294

Wiener Baumschutzgesetz – Kurzfassung der WKÖ – Wien:

https://www.wko.at/service/w/verkehr-betriebsstandort/Baumschutzgesetz.html

Wiener Baumschutzgesetz: „Physiologische Altersgrenze“ – Was ist das? (23.08.2022):

https://www.meinbezirk.at/wien/c-lokales/physiologische-altersgrenze-was-ist-das_a5541412

Wiener Baumkataster:

https://www.wien.gv.at/umweltgut/public/grafik.aspx?ThemePage=11

Katalog: Baumkataster Bäume Standorte Wien:

https://www.data.gv.at/katalog/dataset/stadt-wien_baumkatasterderstadtwien

Straßenbäume – nach Baumgattungen & Bezirken (2019):

https://www.wien.gv.at/statistik/lebensraum/tabellen/baeume-gattung-bez.html

Wiener Bäume – Erlebe die Natur in der Stadt:

https://apps.apple.com/at/app/wiener-b%C3%A4ume/id1376445628

Wiener Umweltanwaltschaft – Baumschutz:

https://wua-wien.at/naturschutz-und-stadtoekologie/baumschutz#quellen

MEDIENBERICHTE – BAUMSCHUTZ:

Wenig Schutz für grüne Riesen auf privatem Grund – Gesetze gegen Baum-Rodungen auf Privatgrundstücken gibt es nur in Wien, Graz und Salzburg (03.08.2021):

https://kurier.at/chronik/oesterreich/wenig-schutz-fuer-gruene-riesen-auf-privatem-grund/401461309